Geschichte

„Das Wesen der Geschichte ist die Wandlung“ (Jacob Burckhardt).

Archäologische Untersuchungen und Grabfunde auf Seebacher Boden (im Jungholz) führen uns in die keltische Zeit zurück. Vor mehr als 2500 Jahren muss demnach bereits eine Siedlung bestanden haben. Die wenigen Zeugen aus der römischen Periode sind hingegen als Streufunde zu werten und setzen keine Besiedlung voraus. Mit dem Mittelalter setzen die schriftlichen Quellen ein und gestatten uns, die Geschichte des Dorfes bis in manche reizvolle Einzelheit hinein nachzuvollziehen.

In einer Urkunde aus dem Jahre 1212 wird Seebach erstmals erwähnt. Der Name knüpft an den „Seebach“, nämlich den heutigen Katzenbach an. Zu jener Zeit gehörte das Dorf zur Grafschaft Kyburg, welche 1264 an die Grafen von Habsburg überging. Die Fraumünsterabtei verfügte über reichen Grundbesitz. Doch besass auch das Grossmünsterstift seit unbekannter Zeit einen Hof und Güter. Gewisse Abgaben standen ferner dem Kloster Wettingen zu.

1424 gingen die Hoheitsrechte an die Stadt Zürich über. Das Dorf Seebach zählte damals 55 Seelen. 100 Jahre später gingen als Folge der Reformation unter der Führung Zwinglis auch die Rechte des Fraumünsters an die Limmatstadt.

Für mehrere Jahrhunderte blieb Seebach nun in der verwaltungsrechtlichen Organisation des Stadtstaates Zürich der Obervogtei Schwamendingen zugeteilt. Die älteste überlieferte Darstellung eines Gemeindewappens, welche auf einem Scheibenriss von 1693 zu sehen ist, steht symbolisch für die Verhältnisse vor dem Umsturz von 1798, als das Ancien Régime unterging: Goldene Sterne und dominierendes Rot erinnern an Vogtei und Grundbesitz des Fraumünsters. Dieses Wappen mit dem silbernen Schrägfluss dient übrigens noch heute als Quartierwappen.

Wo sich seit 1664 die schlichte barocke Kirche erhebt, hatte schon früher eine Kapelle gestanden, welche dem heiligen Nikolaus geweiht war. Bei der Renovation der Kirche sind Fundamentreste freigelegt worden, welche auf eine Kapellenanlage aus dem 11./12. Jahrhundert und eine spätere aus dem 14./15. Jahrhundert hinweisen. Die kirchlichen Verhältnisse von damals mögen heute amüsieren: Während die Seebacher nördlich des Katzenbachs nach Kloten kirchgenössig waren, gehörten diejenigen aus dem Dorfteil südlich davon zur Pfarrei Rümlang. Später bildete Seebach eine Filialgemeinde des Grossmünsters und wurde erst 1863 zur selbständigen Pfarrei erklärt.

Heute beherrschen nebst der alten Kirche zwei weitere markante Kirchenbauten den Buhnhügel: die 1935 eingesegnete Maria-Lourdes-Kirche und die 1948 eingeweihte Markuskirche.

Bevor das industrielle Zeitalter Volkswirtschaft und Alltag des einzelnen Menschen auch in Seebach zu prägen und zu verändern begann, fanden die meisten Bewohner ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft. Neben dem Ackerbau pflegten die Dorfbewohner längs der Käshalde und am Südwesthang des Buhnhügels ihre Weinberge. Einzelne stattliche Bauernhöfe (z.B. der „Tannenhof“ an der Allmannstrasse 4, 1678 erbaut) oder die längst ihres Weihers verlustig gegangene Binzmühle sind Zeugen jener vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Zeit vor der Sturm- und Drangperiode des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Schon zu Beginn der 1830er Jahre lässt sich feststellen, dass ein erheblicher Teil der inzwischen auf 800 Einwohner angewachsenen Bevölkerung in der Textilindustrie Arbeit und Verdienst fand. Noch war Seebach ein Dorf mit einigen Dutzend Häusern, von denen viele mit Strohdächern versehen waren.

Der in der Folge seinen Lauf nehmende Wandel des Orts- und Landschaftsbildes hängt mit dem Aufschwung der Maschinenindustrie in der Nachbargemeinde Oerlikon zusammen. Von 909 Einwohner in Jahre 1860 stieg die Bevölkerungszahl auf 2’850 im Jahre 1900.

Am Südfuss des Buhnhügels entfaltete sich eine hektische Bautätigkeit, der ein ausgedehntes Waldgebiet (Tannwald und Jungholz) restlos zum Opfer fiel. In dieser Gegend wurde 1877 an der Bahnlinie durch das Furttal zudem eine Bahnstation eingerichtet. Ihrer unglücklichen Verknüpfung mit dem Bahnhof Oerlikon wegen kam ihr jedoch für den Personenverkehr zu keiner Zeit grosse Bedeutung zu. Hingegen leistet sie bis heute für den Güterverkehr wertvolle Dienste.

1897 nahm die Zürich-Oerlikon-Seebach-Strassenbahn (ZOS) den Betrieb auf und stellte damit den öffentlichen Verkehr mit Oerlikon, Unterstrass, Zürich und später auch mit Schwamendingen und Glattbrugg sicher. 1931 ging die Aktiengesellschaft an die Städtische Strassenbahnen Zürich (später VBZ) über. Der Motorwagen Nr. 1 aus dem ehemaligen Fuhrpark der ZOS hat dank einem Zufall überlebt und wurde in den Jahren 1977 bis 1985 vom Verein Tram-Museum Zürich restauriert und steht heute für Sonderfahrten zur Verfügung.

Die Geschichte Seebachs ist jene eines armen Dorfes. Bis zur Eingemeindung (1934) hatten die Verantwortlichen stets mit finanziellen Schwierigkeiten zur Bewältigung der Gemeindeaufgaben zu kämpfen. Sorgenkind Nr. 1 waren die hohen Kosten für das Schulwesen. Um die Mitte des letzten Jahrhundert drängten sich oft mehr als 100 Kinder im Schulzimmer. Auch das 1859 eingeweihte Schulhaus an der Seebacherstrasse 63 konnte den Mangel an Schullokalitäten nur vorübergehend beheben. Um der gegen die Jahrhundertwende hin stark zunehmenden kinderreichen Bevölkerung Rechnung zu tragen, wurde 1898/99 das Schulhaus Buhn erbaut.

Seebach steht als Beispiel für viele Vororte Zürichs, welche einerseits die Arbeitskräfte der nahen Industrie aufzunehmen hatten, ohne anderseits eine steuermässig tragenden Wirtschaft auf Gemeindegebiet zu besitzen. Mit der 1909 lancierten sogenannten „Seebacher-Initiative“ wurde ein Ausweg gesucht, indem man dem Kanton einen Teil der Schullasten der steuerschwachen Gemeinden übertragen wollte. Das Volksbegehren wurde jedoch mit grosser Mehrheit abgelehnt.

1919 erfolgte ein Vorstoss für eine Eingemeindung und 1921 für einen Steuerausgleich mit Oerlikon. In den 1920er Jahren wurde die Eingemeindungsfrage zum zentralen Thema zürcherischer Politik. Waren 1929 eine entsprechende Initiative sowie ein Gesetz über den Finanzausgleich noch abgelehnt worden, so fand das ausgefeilte „Vereinigungsgesetz“ am 5. Juli 1931 mit 69’677 Ja gegen 33’544 Nein vor dem Zürchervolk Gnade. Durch dieses Gesetz wurden ausser Seebach auch die Glattalgemeinden Affoltern, Oerlikon, und Schwamendingen sowie die weiteren Vororte Albisrieden, Altstetten, Höngg und Witikon mit der Stadt Zürich verschmolzen. Wie sehr die Seebacher diesen Zusammenschluss begrüssten, zeigt ihr eigenes Abstimmungsergebnis: 1317 Ja, 39 Nein….
Mit dem 1. Januar 1934 war aus der selbständigen politischen Gemeinde Seebach ein Zürcher Stadtquartier geworden, das damals 6’243 Einwohner zählte. In den nächsten drei Jahrzehnten sollte sich die Wohnbevölkerung noch verdreifachen, bevor die jüngste Zeit schliesslich eine Beruhigung und in den letzten Jahren gar eine Tendenzumkehr mit sich gebracht hat.

Seebach stellt aufgrund dieser Entwicklung in städtebaulicher und architektonischer Hinsicht ein interessantes Beispiel für die Vielfalt und den Wandel der menschlichen Behausung innerhalb von 100 Jahren dar.

Seebach ist zu einem modernen Wohnquartier am Saum der Stadt Zürich geworden. Ein Quartier mit viel Wohnqualität dank zahlreichen Naherholungsgebieten. Ein Quartier aber auch, das im Verlaufe seiner raschen Entwicklung immer wieder grosse Probleme lösen musste und hoffentlich auch den Mut und die Kraft besitzt, die heute hängigen Fragen konstruktiv anzugehen.

Roman G. Schönauer, Ehrenmitglied Quartierverein Seebach

Weitere, interessante Fakten über Seebach finden Sie auch über die Homepage des Vereins Ortsgeschichte Seebach https://www.verein-ortsgeschichte-seebach.ch/

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